Mittwoch, 22. Oktober 2025

Dhafer Youssef und Band, Sona Jobarthe und Band, Alte Oper Frankfurt, 21.10.2025

Dhafer Youssef (Foto: Website)

Zwei Konzerte in einem

Man möchte an eine gemeinsame Jazz-Session denken bei dieser Zusammensetzung zweier Bands. Aber man täuscht sich doch gewaltig, denn Dhafer Youssef (*1967) und Sona Jobarthe (*1983) haben musikalisch nichts miteinander gemein und kommen aus ganz unterschiedlichen Musikkulturen. Auch spielt der klassische Jazz vor allem bei Sona Jobarthe eine eher untergeordnete Rolle .


Rock-Pop mit Sufi-Einlagen

Dhafer Youssef ist zwar international in der Jazzszene als tunesischer Oud Spieler und Sänger bekannt wie ein „bunter Hund“, verweist er doch explizit auf seine Sufi-Affinität, die er musikalisch bevorzugt.

Seinen Ausflug in den Jazz verdankt er vor allem seinem Aufenthalt in Österreich seit 1989 und seinen musikalischen Begleitern wie Herbie Hancock, Marcus Miller, Dave Holland sowie Markus Stockhausen, mit denen er seit vielen Jahren durch Europa zieht.

Sein musikalischer Stil ist eher ein Mix aus arabischer Sufi Tradition und westlichem Rock Pop, unterlegt mit elektronischen Hilfsmittel wie Sampler, Synthesizer und Sequenzer.

Er und seine Band bestritten den ersten Teil des Abends im gut besetzten großen Saal der Alten Oper Frankfurt. Mitgebracht hatte er vier Kollegen: den Österreicher Mario Rom an der Trompete, Mark Priore am Klavier, Swaéli Mbappé am E-Bass und Tao Ehrlich am Schlagzeug, die drei letztgenannten stammen aus Frankreich (Youssef lebt zurzeit in Paris).

Sona Jobarthe (Foto: AO/Salar Baygan)

Griot mit Kora und Balafon

Sona Jobarthe (*1983), in London geboren mit gambischen Wurzeln, kommt aus einer völlig anderen Richtung. Sie stammt aus einer bedeutenden Kora-Spieler Dynastie Westafrikas (genannt auch Griot) und kombiniert traditionelle gambische Mandinka-Musik mit moderner westlicher. Dabei ist alles möglich zwischen Klassik, Pop, Rock und Jazz. 

Sona Jobarthe gehört zu den besten Kora Spielerinnen der Welt, eine 26-saitige Harfe afrikanischer Herkunft. Außerdem hat sie eine klassische musikalische Ausbildung am Klavier, im Gesang und am Violoncello am Royal College of Music in London erfahren.

Mitgebracht hatte sie neben ihrem achtzehnjährigen Sohn Sidiki (er spielte das afrikanische Balafon, ein seit über 700 Jahren existierendes Schlaginstrument, ein Vorläufer der Marimba), den Mauretanier Eric Appapoulay (Gesang und Gitarre), den Senegalesen Mamadou Sarr (Schlagwerk, vor allem Djembe und diverse Bongos), den Briten Andi McLean (E-Bass) sowie den Israeli Yuval Wetzler (Schlagzeug)


Dhafer Youssef und Band (Foto: AO/Salar Baygan)

Glas zerspringende Resonanz

Das Vorkonzert mit Dhafer Youssef, so möchte ich es bezeichnen, bestand aus sechs Stücken, wohl aus seinem neuesten und neunten Album „Streets of Minarets“ entlehnt.

Dhafer Youssef zeigte sich als gewandter Entertainer, einer, der die Bühne wie auch das Publikum absolut dominierte. Mit Hut und schwarzer Brille bearbeitete er seine wunderschön anzuschauende Oud mit einfachsten Songs, die er nach wenigen Takten improvisierend erweiterte. Aber vor allem sein Gesang in arabischer Manier erfüllte den Raum des großen Saals. 

Nachgesagt werden ihm eindrucksvolle gesangliche Ausdrucksformen, tatsächlich aber gleitet er nach wenigen Takten in eine Stimmlage über, die förmlich Glas zerspringen lässt. Erinnert sei an die Blechtrommel mit Oscar Matzeraths Widerstandsgesang: Laut, schrill, zum Ohren zerreißen.

Dhafer Youssef und Band (Foto: AO/Salar Baygan)

Unglaubliche Lautstärke

Sein Oud-Spiel wechselte zwischen rhythmischer Begleitung und, wie bereits gesagt, einfachen arabischen Liedstrukturen. Alles, Gesang und Spiel, war gesampelt, oder durch Sequenzer geschönt. Doppelstimme in Permanenz, Hall, Echo und klangliche Verfremdung machten es kaum möglich, sein wirkliches künstlerisches Können zu erleben.

Die Gruppe um ihn herum konnte da wenig abhelfen. Man merkte, dass sie noch nicht lange zusammenspielen, was durch unglaubliche Lautstärke überdeckt wurde. Selten so ein ohrenbetäubendes und übersteuertes Konzert (Kritik an die Technik) gehört. 

Herauszuheben allerdings ist der Trompeter Mario Rom, der sein Instrument bravourös beherrschte, und mit Abstand danach der Pianist Mark Priore, der als Jazzer zwar das gesamte klassische Repertoire der Improvisation auftischte, aber leider ohne Einfall und Kreativität.

Dem Publikum gefiel es. Dennoch, die Qualität dieser Vorgruppe konnte nicht überzeugen.

Sona Jobarthe und Band (Foto: H.boscaiolo)

Eine Diva am Instrument

Ganz im Gegensatz dazu der Auftritt von Sona Jobarthe. Die Gruppe um sie herum harmonierte bestens und man verstand sich quasi blind. Zunächst stimmte Mamadou Sarr über seine Bongos und der Djembe das Publikum rhythmisch ein, mit Lang-kurz-kurz Klatschen, was auch allgemein angenommen wurde. 

Langsam und lautlos erschienen die Bandmitglieder und ergänzten den Rhythmus, bis die Diva des Abends, Sona Jobarthe, in wunderschönem türkisfarbenem Outfit und vor ihrer Brust die Kora tragend auf der Bühne erschien. Ein Einstieg nach Maß.


Musik mit und fürs Publikum

Gleich singt sie Jarabi in Mandinka Sprache und lässt das Publikum den Refrain intonieren. Und schon sind alle Dämme gebrochen. Die Gruppe um Sona Jobarthe begeistert vor allem durch ihre Nähe zu ihren Zuhörern. Sie spielt und singt ausgezeichnet und wird von ihren Mitstreitern professionell ergänzt. 

Von Jazz keine Rede, dafür eine Menge afrikanische Folklore und westliche Klassik. Jeder einzelne ist ein Meister seines Instruments. Vor allem ragt der Gitarrist Eric Appapoulay durch technische Versiertheit und rhythmische Raffinesse heraus, ohne allerdings die anderen schmälern zu wollen.

Sidiki und Sona Jobarthe (Foto: AO/Salar Baygan)

Auf kultureller Mission

Höhepunkt ist der Auftritt ihres achtzehnjährigen Sohnes Sidiki mit dem Balafon. Ein schlichtes, Marimba ähnliches Instrument mit einer etwas dumpfen Klangfarbe. Im Duo spielt er mit seiner Mutter „Freedom“, eine Eigenkomposition des Teenagers, voller Seele und virtuoser Qualität. Beide Instrumente gehören zur Geschichte Westafrikas und bestimmen seit Jahrhunderten den Sound des Landes. 

Zu recht weist Sona Jobarthe fast bei jedem der insgesamt sechs Songs darauf hin, wie wichtig es ihr ist, die afrikanische Tradition, und bei ihr speziell den Griot Westafrikas, zu erhalten, weltweit bekannt zu machen und mit der westlichen Kultur zu verbinden. Lange spricht sie über ihr Projekt der von ihr 2015 gegründeten Gambia Academy, einer Schule, die westliche Bildung und afrikanische Werte zusammenführen möchte.

Sona Jobarthe und Band (Foto: AO/Salar Baygan)

Hingucker wie Hörerlebnis

Ihr Abschlusssong heißt vor diesem Hintergrund schlicht Gambia. Auch jetzt beteiligt sie das Publikum wieder, was es auch mit großer Verve resoniert. „Gambia aima“ (frei übersetzt: In Liebe zu Gambia)  lautet der simple Refrain, den das gesammelte Publikum frenetisch mitsingt.

Auf der Bühne zeigen alle noch einmal ihr musikalisches Können. Viel Afrika, viel Europa, viel Rhythmus, wunderschöne Improvisationen und vor allem eine sehr illustre Brücke zwischen afrikanischer Tradition und westlicher Ästhetik.

Dieser Teil des Abends konnte doch versöhnen. Sona Jobarthe und ihre Band sind sowohl ein Hingucker wie auch ein Hörerlebnis ganz besonderer Art.





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