Freitag, 24. Oktober 2025

Fibonacci Quartet, Debütkonzert in der Alten Oper Frankfurt, 23.10.2025 (eine Veranstaltung der Frankfurter Museumsgesellschaft e. V)

Fibonacci Quartet (Foto: Julia Bohle)

Preis verdächtiges Debüt

Wieder einmal hatten die „Headhunter“ der Frankfurter Museumsgesellschaft ein außerordentlich gutes Händchen bewiesen mit der Einladung dieses noch sehr jungen Streichquartetts aus London, das sich 2019 gründete und bereits vielerlei erste Preise, wie unter anderem den renommierten Premio Paolo Borciani (2024) in Italien, oder den des Kammermusikwettbewerbs der Royal Overseas League (2023), um nur einige zu nennen, abgeräumt haben:

Das Fibonacci Quartet, bestehend aus Luna De Mol (1. und 2. Geige) Kryštof Kohout (1. und 2. Geige), Elliot Kempton (Viola) und Findlay Spence (Violoncello). 

Mitgebracht hatten sie drei Werke aus drei Musikepochen: Das Streichquartett B-Dur op. 33 Nr.4 (1782) von Joseph Haydn (1732.1809), von Béla Bartók (1881-1945) das Streichquartett Nr. 4 Sz 91 (1928), und von Ludwig van Beethoven (1770-1827) dessen vorletztes Streichquartett cis-Moll op.131 (1826).

Fibonacci Quartet (Foto: Webseite)

Eine neue Art der Interpretation

Bereits die ersten Takte aus Haydns Streichquartett Nr. 4 B-Dur op. 33 machten deutlich, wie intensiv musikalisch diese vier Musiker in diese Partitur eingestiegen sind. Großartig ihr Espressivo und ihre ausgeprägte Dynamik. Haydn, bekanntlich der Gründer der Gattung Streichquartett (er schrieb zwischen 68 und 83 davon) stellte zu seinen sechs letzten Streichquartetten, entstanden in den Jahren 1782/83 (an diesem Abend das Vierte davon), nicht von ungefähr fest, sie „nach einer ganz neuen Art komponiert“ zu haben, und verstand darunter die und deutliche Viersätzigkeit, den Kopfsatz als Sonatenhauptsatz, den Schlusssatz als Rondo und statt des Menuetts das Scherzo.

Seine Nachfolger hielten sich im Wesentlichkeit an diese Struktur. Das Besondere allerdings an dieser Komposition ist ihre Leichtgängigkeit, das Ironisch-witzige sowie das Tänzerische, das die Vier auf der Bühne in wunderbarer Weise demonstrierten. 

Herausragend nicht allein ihre differenzierte Dynamik und ihr klar konturiertes piano-Spiel, sondern vor allem im Scherzo die klangreichen Pizzikati, im Largo des dritten Satzes ihr ausgreifendes Legato, und schlussendlich im vierten Satz, dem Rondo Finale: Presto, ihre perfekt rasenden Triolen mit humorvollem Lächeln vorgetragen. Hier saß übrigens Luna de Mol an der ersten Geige, die ihr Instrument mit warmen Strich und klanglicher Brillanz beherrschte.


Fibonacci Quartet
v. l.: Luna De Mol, Krystof Kohout, Elliot Kempton, Findlay Spence
Foto: H.boscaiolo

Zwiebelartige Form – verschobene Rhythmik

Dann zu Béla Bartóks Streichquartett Nr. 4. Sz 91. Hier wechselte Kryštof Kohout auf den Platz der ersten Geige. Das Stück kontrastiert extrem zur scherzhaften Heiterkeit eines Joseph Haydn.

Schrieb es Béla Bartók doch eher in homophoner und kontrapunktischer Manier. Dazu grenzt sein Stil ans Freitonale, zumindest lässt sich sein motivisches Material auf drei Halbtöne aufwärts und drei Halbtöne abwärts konzentrieren. Das allerdings in einer zwiebelartig angelegten Form. Er selbst schreibt dazu: „Der langsame Satz bildet den Kern des Werkes, die übrigen Sätze schichten sich um diesen.“ So bilden der erste (Allegro) und fünfte (Allegro molto) die äußere Schicht und der zweite (Prestissimo, con sordino) und vierte (Presto) die mittlere Schicht.

Die Kernzelle des Ganzen, das non troppo lento des dritten Satzes, hebt sich hörbar von den anderen Teilen ab, findet hier doch die eigentliche Entwicklung der motivischen Arbeit in einer wunderbaren melodischen Linienabfolge statt, die durchaus auf die anderen Satzteile ausstrahlt. Hier glänzen die einzelnen Instrumente durch variable Einlagen und werden durch einen atonalen Klangteppich unterfüttert.

Die Sätze eins und fünf werden durch Homophonie und verschobene Rhythmen charakterisiert, während die Sätze zwei und vier von virtuoser Feingliedrigkeit, kontrapunktischer Raffinesse (der zweite Satz besteht fast ausschließlich aus Flageolett und unterstützt durch Dämpfer ) sowie im vierten Satz von durchgehenden Pizzikati dominiert werden.


Fibonacci Reihe – Gestaltungsprinzip

Ein spannungsgeladener Vortrag. Auch der Name Fibonacci (die berühmte Zahlenreihe aus dem 12. Jahrhundert, in der die folgende Zahl immer die Summe der beiden vorherigen ist und sich der goldenen Zahl - 1, 618 …., nähert), macht der Komposition wie auch dem Quartett alle Ehre. Hat doch auch Béla Bartók gerade diese Reihe als Gestaltungsprinzip dieser Komposition genutzt. Ein Highlight des Abends allemal.


Misanthropie oder bestes Werk

Aber es sollte noch besser kommen. Beethovens op.131 cis-Moll gehört zu den Ausnahme Kompositionen des Meisters, ist es doch sein vorletztes Produkt überhaupt und wirft er hier darüber hinaus alle Regeln des Streichquartetts über den Haufen. Sieben Sätze werden präsentiert, die alle ineinander übergehen. Keine Pause. Dazu mehrere Fugen, Variationen, kurze Übergangssätze mit 11 und 28 Takten. Auch ist der typische Beethoven mit seinen extremen Kontrastreichtum kaum noch erkennbar.

 Ein ganz anderer Beethoven als gewohnt. So ist die Kritik posthum (Uraufführung am 05.Juni 1828 in Halberstadt) eher von Unverständnis geprägt. Man spricht von „seelenkranker Stimmung“ und „peinigender Misanthropie“, die das Werk ausstrahle. Beethoven selbst allerdings meinte, es sei sein bestes überhaupt. Was nun?

Lassen wir das Fibonacci Quartet sprechen.

Fibonacci Quartet
v. l.: Luna De Mol, Krystof Kohout, Elliot Kempton, Findlay Spence
Foto: H.boscaiolo

Ein ganz persönliches Manifest

Bereits das Fugenthema des ersten Satzes, ein Adagio molto espressivo, spielte es mit ergreifender Tiefe, zum Weinen schön, um dann übergangslos ins Allegro molto vivace des zweiten Satzes zu gleiten. Hier wurde es tänzerisch, im 6/8 Takt, eine Art Rondo mit vier Refrains.

Nach einer sehr kurzen Überleitung von elf Takten (Allegro moderato) beginnt das Andante molto cantabile des vierten Satzes. Ein ausgedehnter sechsteiliger Variationen Satz, höchst differenziert mit ganz eigenem Charakter, ein nahezu eigenständiges Werk von fast 20 Minuten. Wer hier nicht ergriffen innehält?

Aber nein. Ohne Atmung folgt das Presto des fünften Satzes, humorvoll, ironisch mit kecker Miene des Meisters selber, nach dem Motto, was geht mich mein ausgedehntes Andante von eben an. Ein ebenfalls nur 28 Takte langer sechster Satz, ein Adagio, erinnert wieder an die Fuge des ersten Satzes, stellt sich aber eher choralartig vor, um dann in den Schlusssatz, dem Allegro zu münden.


Es ist vollbracht – unfassbares Finale

Der wiederum scheint alles wieder in Lot bringen zu wollen. Er erweist sich als klassischer Sonatenhauptsatz mit Doppelfuge in der Reprise, sehr kontrastreich, ein Beethoven, wie man ihn kennt und schätzt. Wie sagte Richard Wagner doch dazu: „Es ist der Tanz der Welt selbst, wilde Lust, schmerzliche Klage, Liebesentzücken, höchst Wonne, Jammer, Rasen, Wollust und Leid. Da zuckt es wie Blitze, Wetter grollen … Sein Tag ist vollbracht.“

Und als ob das Quartett diese Aussage Wagners verinnerlicht hätte. Es spielte diesen Abschluss wie das Ende aller Zeiten, als ob der Jüngste Tag eingeläutet werde. Ein Wahnsinns-Finale, das das Publikum des leider nicht besonders gut besetzten Mozarts Saals der Alten Oper Frankfurt von den Sitzplätzen riss. Unfassbar diese musikalische Performance.

Fibonacci Quartet
v. l.: Krystof Kohout, Luna De Mol, Elliot Kempton, Findlay Spence
Foto: H.boscaiolo
Spiellaune pur

Perfekter geht es kaum. Trotz der weit fortgeschrittenen Zeit spielte das Fibonacci Quartet noch zwei Zugaben. Ein Arrangement aus der Vielzahl von Johann Sebastian Bach Choralsätzen und ein Potpourri aus dem Musical My Fair Lady von Frederick Loewe. Letztgenanntes eine exquisite Salonmusik mit wunderbaren virtuosen Einsprengseln. So eine Spiellaune hat man selten erlebt. Ein Quartett der Sonderklasse, und man wünscht sich viel Besuche dieser Ausnahmetruppe.


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