Samstag, 4. Oktober 2025

Kronberg Festival „Good Vibrations“ vom 23.09. – 05.10.2025

Preisträgerkonzert, Württembergisches Kammerorchester, Abschluss der Geigen & Bratschen Meisterkurse, Verleihung der Förderpreise, Casals Forum Kronberg, 03.10.2025

Württembergisches Kammerorchester Heilbronn
Foto: Website

Absoluter Höhepunkt

Die Tage der „Good Vibrations“ im Rahmen des Kronberg-Festivals neigen sich dem Ende, man könnte auch sagen, streben ihrem absoluten Höhepunkt zu. Denn der war unzweifelhaft das Preisträgerkonzert der Geigen & Bratschen Meisterkurse am Tag der Deutschen Einheit. 

Ein vollbesetztes Casals Forum konnte acht der wohl besten Instrumentalisten dieser Tage erleben, die ein kompakt klassisches Programm um Georg Philipp Telemann (1681-1767), Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Carl Stamitz (1745-1801) und Paul Hindemith (1895-1963) präsentierten und das mit Brillanz, großer Musikalität und professioneller Klasse.


Wassili Wohlgemuth (Foto: Clara Evans)

Galant – Konzertant – Kontrapunktisch

Begleitet von dem international renommierten Württembergischen Kammerorchester Heilbronn, eines besten seiner Gattung, konnte eigentlich auch nur wunderbare und fein ziselierte Musik entstehen.

Gleich zu Beginn startete Wassili Wohlgemuth (*2001), aus der Masterclass (MC): Ettore Causa, mit Telemanns wohl einzigem Bratschenkonzert G-Dur TWV 51:G9, das er um die Jahre 1716 bis 1721 komponiert haben könnte. Man weiß es nicht so genau. Dass es in Frankfurt am Main zumindest begonnen wurde (dort lebte er in dieser Zeit) ist gesichert, es könnte aber auch erst in Hamburg, seinem darauffolgenden Domizil, beendet worden ein. 

Dieses Konzert gilt als das erstes Solokonzert für Viola überhaupt und steht stilistisch zwischen französischer Galanterie, italienischem Concerto und deutscher Kontrapunktik. Seine vier Sätze sind sehr kurz und kurzweilig, jeweils weniger als zwei Minuten lang. Lediglich das abschließende Presto ist länger und verlangt doch eine Menge Virtuosität.

Wassiliy Wohlgemuth ist ein Zögling von Tabea Zimmermann (*1966), bekanntlich eine der besten Bratschistinnen weltweit, und sie hört man mit jedem Strich. Weich und von höchst expressiver Dynamik seine Interpretation. Dennoch spielte er als einziger der Solisten von einem Tablet. Er hatte wohl das Werk erst auf dem Meisterkurs eingespielt. Dafür war sein Vortrag von absoluter Qualität.

Amira Abouzahra (Foto: Website)

Mozart als Geiger

Es folgte Amira Abouzahra (*2005) aus der MC: Vadim Gluzman mit Mozarts 1. Violinkonzert in D-Dur KV 211 (1773). Dazu sei vorausgeschickt, dass er insgesamt fünf Violinkonzerte zwischen 1773 und 1775, während seiner Salzburger Jahre, schrieb und danach nie wieder. 

Bekanntlich war Mozart ein ausgezeichneter Geiger, trat auch vor allem in seiner Jugendzeit (er war gerade 17) fast ausschließlich als Violinsolist auf, aber nach 1775 konzentrierte er sich auf Klavierwerke, Sinfonien und vor allem Opern. Von diesen fünf Violinsonaten wurden vier an diesem Abend gespielt, wenn auch nur einzelne Sätze.


Farbenreich – gesanglich – charmant

Zurück zu Amira Abouzahra. Sie spielte lediglich den Eingangssatz, das Allegro moderato. Das aber farbenreich und einem klangvollen Espressivo. Nicht von Ungefähr erhielt sie an diesem Abend noch einen Sonderpreis, mit 2500 EUR dotiert.


Jake Dongyoung Shim
Foto: Website

Ihr Nachfolger Jake Dongyoung Shim, von Hause aus Koreaner, aber vorwiegend in England lebend, ergänzte das Konzert mit dem Adagio und Presto. Er, bereits international erfolgreich und mit etlichen Preisen ausgestattet, stach durch seine Musikalität, sein sicheres Auftreten und vor allem durch seine Kommunikation mit dem Heilbronner Ensemble hervor. Sein Spiel wirkte souverän und mit seiner Stradivari von 1774, von der Nippon Music Foundation verliehen, machte er zusätzlich aus dem italienisch anmutenden Konzert ein charmantes und gesanglich beeindruckendes Werk.


Oleksandr Ahafonov (Foto: Website)

Virtuosität – Spielfreude

Es folgte das Viola Konzert D-Dur op.1 (1773/74) von Carl Stamitz. Oleksandr Ahafonov (*2002) durfte es vorstellen. Er, ein gebürtiger Ukrainer, spielte ursprünglich Geige, ehe er im Jahre 2023 auf die Bratsche wechselte. Zurzeit studiert er in Lausanne bei Prof. Alexander Zemzsov-Gordon und war in Kronberg unter den Fittichen von Tabea Zimmermann.

Sein Spiel des ersten Satzes, einem Allegro, wirkte äußerst melodiös, wenngleich das Orchester mindestens gleichberechtigt mit dem Soloinstrument agierte. Carl Stamitz galt in damaliger Zeit als bester Bratschist seiner Zeit. Er komponierte insgesamt sechs Viola Konzerte, die sich durch hohe Virtuosität und großer Spielfreude auszeichneten. All das erfüllte auch diese Interpretation.


Laura Jin (Foto: Website)

Weiblicher Mozart des 21.Jahrhunderts

Den Abschluss des ersten Teil gestaltete eine dreizehn jährige Australierin, Laura Jin (*2012), MC Mihaela Martin. Bereits mit acht Jahren wurde sie in die Julliard School aufgenommen , debütierte mit sechs Jahren im Sydney Opera House, ein weiblicher Mozart des 21. Jahrhunderts. Sie spielte aus Mozarts Violinkonzert Nr. 2 KV 211 D-Dur (1775) das abschließende Rondeau Allegro.

Unglaublich vital, frei und mit witziger und humorvoller Attitüde führte sie das begeisterte Publikum in die Pause. Ein musikalischer Springinsfeld, der absolute Freude ausstrahlte.


Zwanzig Förderpreisträger

Die Preisverleihung fand vor dem zweiten Teil des Konzertabends statt. Raimund Trenkler, der Intendant des Festivals, übernahm,  die Zeremonie nebst den Verantwortlichen der Stiftungen und Preis-Verleiher wie Floria Landgräfin von Hessen, Dr. Jürgen Frey, Hitomi Ono und Friedemann Eichhorn

Vier Preise zu je 5000.00 EUR, der Prinz-von-Hessen-Preis, der Nobuko Imai Förderpreis, der Ana Chumachenco Preis sowie der Manfred Grommek Preis, wurden insgesamt an acht Instrumentalisten vergeben, zusätzlich noch jeweils 500 EUR an weitere zwölf Geiger und Bratschisten. Nur eine Vertreterin des Preisträgerkonzerts gehörte dazu, nämlich besagte Amira Abouzahra. Sie erhielt 2500 EUR aus dem Topf des Prinz-von-Hessen-Preis.


Ji Hyun Baik (Foto: Website)

Feierliche Noblesse – wunderschöne Höhen

Eingestiegen wurde mit Mozarts Violinkonzert Nr. 4 D-Dur KV 218 (1775). Es spielte die Älteste der Teilnehmer des Abends, Ji Hyun Baik (*1999), MC: Donald Weilerstein. Die US-Amerikanerin mit koreanischen Wurzeln ist bereits mit internationalen Awards und Preisen reich gesegnet. Das Zusammenspiel mit großen Orchestern gehört ebenfalls zu ihrem Metier.

Sie präsentierte das Eingangs Allegro aus dem Konzert mit reifer Gestaltung, sinfonischer Größe, feierlicher Noblesse bei, nebenbei zu bemerkenden wunderschönen Höhen. Sie legte viel Wert auf die Musikalität, was ihr auch mit Überzeugung gelang.


Antoine Thevoz (Foto: Website)

Erschütternd schön

Die Trauermusik (1936) von Paul Hindemith schien in dieser Verpackung ein Ausrutscher zu sein. 20 Jahrhundert, Neue Musik? Mitnichten. Hindemith schrieb dieses viersätzige Stück in kaum sechs Stunden, während eines London Besuchs. Die Tragik: Er sollte im Beisein des Königs, George V., sein Bratschenkonzert „Schwanendreher“ aufführen, woraus nichts wurde, weil der König in der Nacht davor verstarb. Was tun?

Der Dirigent des BBC-Orchesters, Adrian Boult (1889-1983) beharrte auf Hindemiths Anwesenheit und schlug vor, dass er etwas angemessenes zur Trauerfeierlichkeit komponieren solle. Die Trauermusik ist das Ergebnis, worüber der Komponist selbst urteilte, es sei „ein hübsches Stück … für Könige sehr passend. Wir probten gestern sehr gut und abends spielte das Orchester mit großer Andacht und Rührung.“ Andacht und Rührung sind die Stichworte.

Der Schweizer Antoine Thevoz (*2005), MC: Ettore Causa, hatte sich dieser Musik angenommen und überzeugte auf der ganzen Linie. Das Lento des Kopfsatzes ist in einer Art Pavane geschrieben, ein damals noch in England sehr beliebter höfischer Schreittanz. Es folgen zwei Mittelsätze im barocken Stil. Eine Bachsche Kantate nach dem Choraltext: „Für deinen Thron tret´ ich hiermit“, setzt den Schlusspunkt dieser beeindruckenden, knapp achtminütigen Hommage an einen verehrungswürdigen King George V. 

Antoine Thevoz spielte hinreißend und ließ sein Instrument im wahrsten Sinne weinen. Erschütternd schöne sein Beitrag.


Gina Keiko Friesicke
Foto: Website

Die Krönung

Das Finale des gut zweiständigen Abends gestaltete die aus Deutschland stammende Gina Keiko Friesicke (*2002), MC: Vadim Gluzman. Sie hatte das Mozartische Violinkonzert Nr. 5 A-Dur KV 219 (1775) auch das „Türkische Konzert“ genannt, ausgewählt, und daraus den Eingangssatz, das Allegro aperto

Dieses letzte seiner fünf Violinkonzerte ist gleichzeitig sein reifstes. Mozart verwendet darin bereits Rezitative, wechselt im Kopfsatz zwischen langsamen, lyrischen Abschnitten, und schnellen Passagen, die insgesamt wie eine Opernszene wirken.

Die Solistin ist so bunt gekleidet wie das Allegro. Mit großer Überzeugungskraft erklingt ihre Gianbattista Ceruti Violine und ihr Auftreten krönt noch einmal das wirklich gelungene Preisträgerkonzert.


Schlussapplaus im Casals Forum
Hintergrund: Württembergisches Kammerorchester Heilbronn
v. l.: Abouzahra, Jin, Friesicke, Baik, Wohlgemuth, Shim, Thevoz, Ahafonov
Foto: H.boscaiolo

Das Motto: Good Vibrations machte dieser Abendvorstellung alle Ehre. Ein Abschluss nach Maß.

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