Tanzfestival Rhein Main 2025, 30.10. - 16.11.
Rave Lucid, Tanzproduktion der Kompanie MazelFreten, Staatstheater Darmstadt, 02.11.2025
| Kompanie MazelFreten (Foto: Jonathan Godson) |
Party und Trance
Eigentlich war von Rui Horta Glimmer angesagt. Die Neuproduktion, Uraufführung 2024 im Teatro Aveirense in Aveiro (Portugal), des Altmeisters der Choreographie von 2024, musste aber wegen technischer und persönlicher Probleme leider ausfallen. Dafür bekam Rave Lucid ein Zusatzvorstellung (01.11. Erstaufführung). Ein Stück aus dem Jahre 2022, das die Elektroszene in den Mittelpunkt stellt und von sogenannten Battles (Kampfszenen) inspiriert ist.
Der Titel steht für Party (Rave) und Trance (Lucid), hat seine Wurzeln im französischen Elektrodance, der ursprünglich den Underground beherrschte, aber vor allem in den letzten Jahren durch die Breakdance Szene, den Hip-Hop und den Techno Einzug in die Jugendszene gehalten hat.
Power Gymnastik
Diese Produktion, choreographiert von den Gründern der MazelFreten Kompanie, Brandon Masele (*1994) und Laura Defretin (*1994), beide unter anderem auch Streetdancer und Hip Hopper, beide auch Teil der Tanzperformance, sticht hervor durch extreme Sportlichkeit, Kraft und Energie der 10 Tänzerinnen und Tänzer (jeweils fünf Frauen und Männer) sowie durch den typischen musikalischen Background von Hip-Hop und Techno.
Angelehnt ist die Performance an aktuelle Power Gymnastik Programme und unterteilt in Warm up, Durchführung des Hauptprogramms und abschließendem Cool down. Mit höchsten Ansprüchen an die konditionellen Voraussetzungen der einzelnen Akteure.
| Kompanie MazelFreten (Foto: Jonathan Godson) |
Ekstatisches Armschleudern
Die Performance beginnt in völliger Dunkelheit auf der nackten Bühne. Die elektronische Musik lässt menschliche Stimmen und Tiergebell hören, um dann in den typischen harten 90er-Beat zu wechseln.
Die zehn Tänzer auf der Bühne werden sichtbar und tanzen in der Gruppe ihren sogenannten warm up. Erst ein wenig verhalten, um dann in wachsender Ekstase, vor allem ausgedrückt durch extremes Armschleudern und stampfende Beinbewegungen, einem ersten Höhepunkt zuzustreben. Die Technostimmen scheinen zu seufzen, einige versuchen sich im Breakdance und dann nach einem abschließenden elektronischen Chor abrupt wieder völlige Dunkelheit.
Erster Beifall. Das Publikum war begeistert.
Meditativer Part
Der zweite Teil beginnt mit einem dumpfen technischen Raunen aus dem Off. Kein Rhythmus, keine wirklichen Töne. Statt dessen beschwörende Bewegungen eines einzelnen Tänzers. Er scheint einem Ritual zu folgen, einen imaginären Gott anzurufen. Es folgen einige Tänzer, die die Beschwörungen imitieren. Alle bewegen sich extrem langsam, wie in Slowmotion. Zwischendrin ekstatische Bewegungen einzelner Tänzer und Tänzerinnen. Dieser Teil der Performance scheint den meditativen Part abzudecken. Auffallend hier die Lichteffekte (Judith Leray), die die einzelnen Solos begleiten.
Dann wechselt die Musik. Es wird wieder beatig, allerdings in etwas langsamerer Folge. Der Herzschlag von 60 bis 70 Beats ist jetzt angesagt. Paare finden sich zusammen, eng verschlungen, begleitet von Orgeltönen und elektronischen Pfeifen. Eine choralähnliche Akkordfolge einfachster Art bestimmt den musikalischen-, ein Battle der Paare den tänzerischen Fortgang der Performance.
| Kompanie MazelFreten (Foto: Jonathan Godson) |
Trance bis zur Erschöpfung
Die Beats nehmen zu bis über 90 an der Zahl. Jetzt ist Synchronizität, gute Abstimmung der einzelnen Tänzer untereinander gefordert. Unter der monotonen Ostinato Folge der Akkorde tanzen sich die Akteure in einen Trancezustand, wobei sich die Paare mischen, nie zusammenkommen, aber schlussendlich in der Gruppe eine Lösung zu finden scheinen.
Langsam findet man zum Cool down. Die Musik wird tatsächlich etwas melodischer, die Beats beruhigen sich, die Gruppe ist erschöpft und die Stunde zwischen Rave, Ritual, Trance, Battle und extremer Körpersprache findet ihr Ende.
| Kompanie MazelFreten (Foto: Jonathan Godson) |
Ausbaufähig
Alle Tänzerinnen und Tänzer, übrigens in ihrem ganz individuellen Hip-Hop-Outlook (Sting Masele & Emma Deat), gaben ihr Bestes. Dennoch fehlt dieser Performance die Dichte und gedankliche Klarheit. Vieles erscheint doch sehr spontan und oberflächlich. Ab der Mitte der Vorstellung wiederholte sich bewegungsbezogen sehr viel, und die Struktur der Choreographie war kaum noch erkennbar. Ebenfalls ist die Musik (Nikit / Ino & Fille de Minuit) durchaus ausbaufähig. Weder ein echter Hip Hopper noch ein Techno Freund konnte damit zufrieden sein.
Kurz: diese Performance hat noch Luft nach oben. Weder von totaler Ekstase noch von Einmaligkeit kann hier die Rede sein. Einem Vergleich mit beispielsweise Corps de Walk von Sharon Eyal & Gal Behar, mit durchaus ähnlicher Anlage, hält diese Performance nicht stand.
Die Begeisterung des nur mäßig gefüllten Kleinen Haus des Staatstheaters Darmstadt war umso größer.
| Schlussapplaus (Foto: H.boscaiolo) |
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